Frauenpower im Rettungsdienst
Längst keine Männerdomäne mehr: Julia Hauner ist aktive Rettungssanitäterin auf der Rettungswache Viechtach

Viechtach. War es vor fünf oder zehn Jahren noch die Ausnahme, dass Frauen im Rettungsdienst eingesetzt waren, so sind Retterinnen heutzutage aus der Notfallrettung nicht mehr wegzudenken. Wenngleich sich Mancher erst noch an den Anblick gewöhnen muss, dass Frauen am Steuer des großen Rettungswagens (RTW) sitzen.
Auch beim Bayerischen Roten Kreuz im Landkreis Regen haben die Rettungssanitäterinnen längst die einstige Männerdomäne erobert, wie Rettungsdienstleiter Alfred Aulinger mitteilt. So sind im Kreisverband Regen sieben Frauen hauptberuflich im Rettungsdienst und Krankentransport aktiv. Diese werden von ehrenamtlichen Helfern an den Wochenenden oder beim Hintergrundeinsatz unterstützt. Eine davon ist die 25-jährige Gesundheits- und Krankenpflegerin Julia Hauner aus Viechtach. Sie hat kürzlich die Ausbildung zur Rettungssanitäterin abgeschlossen.
Der theoretische Unterricht sowie die praktische Ausbildung fanden im Kreisverband Regen statt. Weil sie von Berufs wegen im Klinikum St. Elisabeth in Straubing auf der Intensivstation beschäftigt ist, entfiel bei ihr das vierwöchige Klinikpraktikum. So konnte sie nach der Ausbildung den Prüfungslehrgang in der Landesschule in Hohenfels absolvieren und erfolgreich abschließen. Ab sofort ist sie berechtigt, die Bezeichnung Rettungssanitäterin zu führen.
Julia Hauner wurde ihr Engagement für den Rettungsdienst praktisch in die Wiege gelegt. Ihr Vater Alfons Hauner ist seit Jahrzehnten aktiv im Rettungsdienst und nahezu Tag und Nacht einsatzbereit. Er ist die Stütze des Hintergrunddienstes, der dann zum Einsatz kommt, wenn die diensthabende Mannschaft unterwegs ist. Die wohnliche Nähe zum BRK-Einsatzzentrum macht es möglich, dass Hauner innerhalb von wenigen Minuten den weiteren Rettungswagen besetzt und meist mit einem Familienangehörigen ausrückt. Denn neben Julia ist auch Bruder Andreas ein aktiver Rettungsdienstler.
Auf die Frage, was sie antreibe, so viel Freizeit ehrenamtlich für den Rettungsdienst aufzuwenden, obwohl die Belastung in ihrem Beruf nicht wenig sei, entgegnet Julia, dass es für sie nichts Erfüllenderes gäbe, als Menschen in akuten Situationen medizinisch oder auch durch reine Anwesenheit und Zuwendung helfen zu können.
Julia Hauner hat während ihres Dienstes schon schlimme Erfahrungen gemacht, wie die Reanimation eines dreijährigen Kindes, das in einen Teich gefallen ist und sie nach erfolgloser Wiederbelebung mit den Reaktionen von Eltern und Angehörigen umgehen musste. Die junge Rettungssanitäterin kann aber auch von vielen schönen Erlebnissen berichten, zu denen unter anderem eine Unfallsituation mit einem Kleinbus voller körperlich und geistig behinderter Menschen zählte. Die Behindertengruppe schickte aus Dankbarkeit einige Wochen nach dem Unfall für die schnelle Hilfe selbst gebastelte Schwimmkerzen, dazu Süßigkeiten und einen von ihnen selbst geschriebenen und berührenden Dankesbrief an die Rettungswache.
Für Julia Hauner ist es nichts Besonderes, dass sie als junge Frau genauso ihren "Mann" steht wie die männlichen Kollegen. Am Anfang hatte sie zwar manchmal das Gefühl, dass die Männer hinter ihrem Rücken geredet hätten, ob sie mit ihrer Körpergröße von 1,60 Meter den körperlichen Anforderungen auch gerecht würde. Denn der Beruf eines Rettungsassistenten kann durchaus ein Knochenjob sein, wenn es gilt, schwere Patienten durch enge Treppenhäuser zu tragen, oder die gesamte Notfallausrüstung über steile Böschungen hinauf zu schleppen.
Julia Hauner hält sich dafür fit und hat nebenher noch ein Fahrtraining mit anschließender Fahrprüfung auf dem 7,5 Tonnen schweren Rettungswagen abgelegt.
Damit hat sie nach anfänglichen Schwierigkeiten die Männerwelt davon überzeugt, dass sie nicht nur eine Bereicherung für den Rettungsdienst ist, sondern auf Augenhöhe mit den männlichen Kollegen ihren Dienst verrichten könne.
Mit den Notärzten versteht sie sich ohnehin gut, weil diese ihr Fachwissen als Intensivkrankenschwester zu schätzen wüssten. Die Männer wiederum bestätigen, dass seit Einzug der Frauen in den Rettungsdienst eine wesentlich bessere Stimmung auf den Wachen herrschen würde, was für ein gutes Arbeitsklima insgesamt sehr förderlich sei.
Dies bestätigt auch der Leiter der Rettungswache Viechtach Franz Obermeier, der es gut findet, dass Frauen im Rettungsdienst arbeiten. Als er vor über 25 Jahren an der Rettungswache Viechtach, damals noch in der Friedhofstraße, seinen Dienst antrat, war es undenkbar, dass Frauen als "zweiter Mann" im RTW mit dabei wären. Wie überall gäbe es gut oder weniger gut ausgebildete oder motivierte Mitarbeiter, Männer und Frauen, stellt Obermeier fest, der sich freut, dass es auch an der Rettungswache Viechtach weibliche Kollegen gibt.
Als ehrenamtliche Rettungssanitäterin fährt Julia Hauner rund 100 Einsätze im Jahr. Dafür bekommt sie für eine 12-Stunden-Schicht eine Aufwandsentschädigung von 30 Euro und für einen Hintergrundeinsatz 9 Euro. Da ihr Freund Andreas Weichselsgartner hauptamtlich als Notfallsanitäter auf der Rettungswache Regen beschäftigt ist, besetzt Julia Hauner zusätzlich die eine oder andere Schicht auch noch in der Kreisstadt.