Hilfe ist nur einen Anruf entfernt
Seelische Unterstützung in der Corona-Krise – Sozialpsychiatrischer Dienst telefonisch erreichbar

Regen. Kontaktsperre, zu Hause bleiben, die Medien voll von Corona-Nachrichten − das schlägt auf die Psyche. Umso wichtiger ist es, dass Beratungsstellen auch jetzt für ihre Klienten da sind. Die Beratungsstelle für psychische Gesundheit des BRK in Regen betreut auch in Zeiten von Corona ihre Klienten – per Telefon. Zusammen mit dem Psychologen Dieter Haug und ihren beiden Kolleginnen Christine Hofmann-Raab und Adele Aschenbrenner betreut Sozialpädagogin Heike Straßmeier Menschen, die seelische Unterstützung und Rat suchen. Im Interview erzählt sie, was ihre Klienten gerade am meisten belastet und was sie ihnen rät.
Frau Straßmeier, das Thema Corona ist für viele Menschen belastend, wie beschäftigt sind Sie gerade?
Heike Straßmeier: Mein Tag war schon ganz gut gefüllt mit Telefongesprächen. Wir versuchen auch in dieser Situation so gut es geht zu unterstützen und halten unser telefonisches Beratungsangebot weiterhin aufrecht. Normalerweise legen wir den Schwerpunkt auf persönliche Beratung, das ist aber jetzt nicht möglich. Mit der Telefonberatung haben wir die Anforderungen der Politik aber im Sinne der Klienten ganz gut hinbekommen.
Welche Menschen wenden sich an Sie?
Heike Straßmeier: Unser Angebot richtet sich an alle Erwachsenen, die zum einen ein akutes Problem haben, für das sie Unterstützung bei der Bewältigung suchen, etwa im privaten oder beruflichen Kreis. Zum anderen beraten wir Menschen, die schon länger mit Herausforderungen zu kämpfen haben und denen eine psychische Erkrankung droht. Aber auch Personen, die schon länger an einer psychischen Erkrankung leiden, wenden sich an uns.
Wie groß ist das Thema Corona in den Beratungsgesprächen im Moment?
Heike Straßmeier: Neuanmeldungen kommen bisher nur vereinzelt vor. Sollten die Maßnahmen der Regierung noch sehr viel länger andauern, rechnen wir aber damit, dass sich mehr Menschen bei uns melden werden. In den Gesprächen mit den Klienten ist das natürlich Thema. Die Bewältigung der Situation ist ganz individuell und von den personalen und sozialen Ressourcen von der jeweiligen Person abhängig. Auch gewisse Fähigkeiten spielen eine Rolle. Hat ein Mensch die Fähigkeit, die positiven Aspekte zu sehen, kann er sich bei Probleme Hilfe holen oder Unterstützung in lebenspraktischen Dingen? Das sind alles hilfreiche Faktoren. Grundsätzlich kann man sagen: Wenn ein Mensch schon vor der Krise viele Probleme hatte, werden sie von Corona noch verschärft.
Reicht da die telefonische Beratung aus?
Heike Straßmeier: Uns war es wichtig, unser Angebot aufrechtzuerhalten, mit der telefonischen Beratung ist uns das gelungen. Der Beratungstermin ist immer noch ein fester Bestandteil der Woche, das verschafft den Klienten Struktur. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich meine Klienten damit sehr gut stützen konnte. Die meisten nehmen dieses Angebot an, es gibt aber auch manche, die eher warten wollen, bis sie wieder persönlich kommen können.
Fragt sich nur, wie lange das dauert...
Heike Straßmeier: Genau das ist der Punkt. Die Situation abzufedern und die Zeit zu überbrücken ist jetzt erst mal wichtig. Wenn alle Maßnahmen noch wesentlich länger anhalten, kann es aber schon sein, dass es zu Rückfällen oder Neuausbrüchen von psychischen Krankheiten kommt.
Was belastet Ihre Klienten am meisten an der aktuellen Situation?
Heike Straßmeier: Die größte Belastung sind eigentlich ganz alltägliche Dinge. Viele fragen sich, ob sie ihre Medikamente noch bekommen oder der Facharzttermin stattfinden kann. Eine Klientin zum Beispiel hat mir erzählt, dass sie lange auf einen Aufnahmetermin in einer Fachklinik gewartet hat, einmal wurde er schon verschoben. Der Termin ist ihr sehr wichtig, deswegen ist sie da besorgt. Der persönliche Kontakt zu anderen Menschen fehlt den meisten Klienten. Ich höre oft, dass sie sich freuen, wenn sie wieder zu uns kommen dürfen, denn auch wir gehören zu ihren sozialen Kontakten. Belastend wirkt sich auch ein intensiver Medienkonsum aus: schlechte Nachrichten sind bedrückend.
Was raten Sie, um die Corona-Krise psychisch bewältigen zu können?
Heike Straßmeier: Zunächst einmal ist es wichtig, darüber zu sprechen, warum es gerade wichtig ist, soziale Kontakte zu vermeiden – Verständnis hilft. Wir ermutigen aber alle dazu, andere Formen der Kontaktaufnahme zu nutzen. Außerdem sollte man so gut es geht in Bewegung bleiben, das ist gut, um Stress abzubauen und die Psyche zu stabilisieren – und wir in unserer ländlichen Region haben da Glück, so viele Möglichkeiten zu haben.
Wichtig ist auch, eine Tagesstruktur beizubehalten, etwa zu festen Zeiten aufzustehen, und sich kleine Projekte vorzunehmen. Das kann zum Beispiel etwas Handwerkliches sein. Mir persönlich ist ganz wichtig, den Klienten mitzuteilen, dass sie sich nicht selbst seelisch und körperlich in eine dauerhafte Alarmbereitschaft versetzen sollen. Dabei hilft, sich nicht mehr als zweimal am Tag für maximal eine halbe Stunde zu informieren. Man sollte sich auch immer wieder innerhalb der Wohnung in einen eigenen Raum zurückziehen, denn das Konfliktpotenzial kann steigen, jetzt da man zuhause bleiben muss.