Retten mit Rest-Risiko
Erhöhte Vorsicht, mehr Schutzausrüstung – wie das BRK in Zeiten von Corona arbeitet

Regen. Bei einem Schlaganfall zählt jede Minute. Je schneller ein Patient versorgt wird, desto besser. Dieses Gesetz setzt auch ein unsichtbares Virus nicht außer Kraft. Für die Retter, die ganz nah an die Patienten ran müssen, bedeutet die unsichtbare Gefahr: Höchste Konzentration und Vorsicht. "Wer im Rettungsdienst arbeitet, ist den Umgang mit Infektionskrankheiten gewohnt", sagt Günther Aulinger, Geschäftsführer des BRK-Kreisverbandes. Vor dem Corona-Virus aber haben auch diese Profis Respekt. Zumal ein Noteinsatz zu sehr pressiert, als dass sie in Ruhe in eine komplette Schutzkleidung schlüpfen könnten. Trotzdem gibt es beim BRK strikte Anweisungen, um das Personal zu schützen: Kein Patientenkontakt ohne Mundschutz, und zwar die hochwertige FFP2-Maske, und Handschuhe.
Schon bei der Notfallmeldung in der Leitstelle haben die Profis vom Rettungsdienst eine mögliche Infizierung eines Patienten im Hinterkopf und fragen die Hauptsymptome ab. Schließlich kennen die Retter die Infektionslage am Einsatzort nicht. Das Risiko einer Ansteckung ist sehr hoch. Umso erleichterter ist BRK-Geschäftsführer Günther Aulinger, dass sich bislang kein Mitarbeiter des Rettungsdienstes infiziert hat. Zwei waren zur Sicherheit in Quarantäne.
Jetzt, in Woche fünf der Pandemie, bindet vor allem das Organisieren von Schutzausrüstung viel Energie. "Es wird leichter und wir haben gut aufgerüstet", sagt Aulinger. "Wir geben satt Geld aus", beschreibt er die Lage. Denn utopische Preise werden verlangt: Eine FFP2-Maske hat noch vor ein paar Monaten 68 Cent gekostet, zwischenzeitlich wurden zwölf Euro pro Stück verlangt, mittlerweile liegt der Preis bei etwa fünf Euro, weiß Alfred Aulinger, der Leiter des BRK-Rettungsdienstes. Nicht nur finanziell, auch logistisch ist das BRK gefordert. Und ohne langen Atem geht gar nichts, wenn zum Beispiel 10000 Schutzkittel beim Zoll am Flughafen festhängen, weil irgendwelche Zertifikate nicht passen.
Mitarbeiterschutz wiegt mehr als Wirtschaftlichkeit, stellt sein Bruder Günther, der BRK-Geschäftsführer, klar. Wer es mit einem Covid-Patienten zu tun hat, schützt sich nicht nur mit Mundschutz und Handschuhen, sondern auch mit Kittel, Brille, Haarnetz. Mehraufwand gilt auch für die Fahrzeugdesinfektion, die in Corona-Zeiten über das sonst schon hohe Alltagsniveau hinausgeht. Sobald ein Krankentransporter oder Rettungswagen einen Covid-Kranken transportiert hat, ist die Aufbereitung vor dem nächsten Einsatz deutlich aufwendiger.
Wegen der Ausgangsbeschränkungen gibt es aktuell zwar weniger Verkehrsunfälle, aber mehr häusliche Unfälle – wenn etwa auf wackeligen Leitern Bäume beschnitten werden. Und Schlaganfälle und Herzinfarkte richten sich nicht nach Pandemien.
Ungewohnt ist für die Retter, dass nach einem Einsatz praktisch keine interne Supervision stattfindet. Das Kontaktverbot beschränkt auch den Schichtwechsel auf das Allernötigste, Einsatznachbesprechungen sind gestrichen. "Der kollegiale Austausch fehlt", bedauert Aulinger. Neu ist auch, dass die Mannschaften auf zwei Personen pro Fahrzeug reduziert sind, und es feste Teams gibt – um die Kontakte zu minimieren.
In der BRK-Kreisgeschäftsstelle arbeitet momentan in der Personal- und Finanzverwaltung die Hälfte im Home-Office, für Auszubildende, Hospitanten und Praktikanten ist der praktische Einsatz gestrichen. Nicht nur die 48 hauptberuflichen Mitarbeiter im Rettungsdienst erleben fordernde Zeiten. Auch die gut 50 Ehrenamtlichen stehen laut Aulinger verstärkt auf "Stand-by", um bei Bedarf zusätzliche Fahrzeuge besetzen zu können. In Bodenmais halten die "Helfer vor Ort" aktuell drei Fahrzeuge vor statt eines.
"Hut ab", lobt der Kreisgeschäftsführer auch das Personal im ambulanten Pflegedienst für seinen "sehr anspruchsvollen Einsatz". In der Pflege sei Abstandhalten unmöglich, weshalb auch für diese Mitarbeiter nicht an hochwertigen Masken gespart werde.
Auswirkungen hat die Corona-Gefahr auch auf den Patientenfahrdienst des BRK. Rentner, die sonst als Fahrer eingesetzt sind, fallen aus – sie gehören schließlich zur Risikogruppe. Der Hygieneaufwand in den Fahrzeugen ist erhöht, alle Kontaktflächen werden nach jeder Fahrt desinfiziert, versichert Aulinger. Dialysefahrten werden nicht im Patientenfahrdienst, sondern als Krankentransport durchgeführt, schließlich sei ein Dialysepatient immungeschwächt.
Komplett gestrichen sind bis Ende Mai alle Erste-Hilfe-Kurse, was vor allem Führerschein-Kandidaten stresst. Auch das TagWerk ist geschlossen.
Mit den Lockerungen der Ausgangsbeschränkungen hoffen die professionellen Retter darauf, dass jedermann die Basishygieneregeln verstärkt beherzigt: Mundschutz tragen, Abstand halten, Hände waschen und desinfizieren, in die Ellbeuge niesen oder husten, sich möglichst wenig ins Gesicht fassen. Um ein Ziel zu erreichen: Die Fallzahlen nicht in die Höhe schnellen zu lassen und das Gesundheitssystem nicht zu gefährden.